Monday, May 11, 2009


11.05.2009 / Titel / Seite 1

Blutsonntag in Sri Lanka

Die Verletzten wurden wie die Toten in ein behelfsmäß
Bei einem Artillerieangriff der srilankischen Regierungstruppen sind am Sonntag möglicherweise mehr als 2000 Zivilisten getötet worden. Diese Zahl gaben die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) in einer Erklärung bekannt, die gestern auf der den Rebellen nahestehenden Internetseite tamilnet.com veröffentlicht wurde. Danach habe der Angriff am Samstag abend begonnen und die ganze Nacht angehalten. »Überall liegen Tote«, hieß es. Die Streitkräfte erklärten hingegen, sie würden gegen die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) nur leichte Waffen einsetzen. Es gebe keinen Artillerieangriff, sagte Militärsprecher Udaya Nanayakkara.

Zunächst hatte es bei Tamilnet geheißen, bei dem Artillerieangriff im Nordosten des Inselstaats seien 814 Zivilisten verletzt worden. Sie sowie 257 Todesopfer seien in ein behelfsmäßiges Krankenhaus gebracht worden. Der Mediziner V. Shanmugarajah, der als Arzt im Auftrag der Regierung im Kriegsgebiet im Norden des Landes arbeitet, sprach gegenüber der Nachrichtenagentur AP von mindestens 378 getöteten und 1200 verletzten Zivilisten, und »möglicherweise gibt es etliche weitere Tote«. Noch nie seit dem Beginn des Krieges Colombos gegen die tamilischen Rebellen habe es an einem Tag so viele Todesopfer gegeben. Granaten seien in der Nähe der provisorischen Klinik niedergegangen, so Shanmugarajah. »Wir haben nichts unter Kontrolle«, sagte er. Er habe Freiwillige gebeten, Gräber auszuheben.

Die Regierung hatte vor zwei Wochen zugesagt, den Artilleriebeschuß des kleinen Küstenstreifens, in den die LTTE-Kämpfer zurückgedrängt wurden, einzustellen und auch auf Bombenangriffe aus der Luft zu verzichten, um Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden. Ärzte haben jedoch immer wieder berichtet, daß die Angriffe mit schweren Waffen unvermindert fortgesetzt würden.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat den srilankischen Streitkräften Dutzende Attacken auf Krankenhäuser in der von tamilischen Rebellen kontrollierten Zone im Norden des Landes vorgeworfen. Es lägen Informationen über mindestens 30 Angriffe seit Dezember vor, erklärte die in New York ansässige Organisation am Samstag. Dutzende Menschen sollen dabei getötet worden sein. Die Streitkräfte wiesen auch diese Vorwürfe zurück. Sie griffen bei ihren Einsätzen niemals Krankenhäuser an, sagte Militärsprecher Udaya Nanayakkara.

Unterdessen sind drei für einen britischen Fernsehsender arbeitende Journalisten festgenommen und aus Sri Lanka ausgewiesen worden. Ihnen wird vorgeworfen, dem Ansehen der Regierungstruppen geschadet zu haben. Einem Polizeisprecher zufolge wurden die Mitarbeiter des in London ansässigen Senders Channel 4 in der östlichen Stadt Trincomalee aufgegriffen. Der Asien-Korrespondent des Senders, Nick Paton Walsh, sagte der Nachrichtenagentur AP telefonisch, er sei zusammen mit einer Produzentin und einem Kameramann verhaftet worden. Die Festnahme stehe in Zusammenhang mit einem Bericht über die Zustände in Flüchtlingslagern und über sexuellen Mißbrauch von Flüchtlingen, so Walsh.

Im Kampfgebiet von Sri Lanka leben schätzungsweise 50000 tamilische Flüchtlinge. Nach UN-Angaben wurden im Krieg Colombos gegen die LTTE allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres fast 6500 Zivilpersonen getötet. Die Regierung wirft den Befreiungstigern vor, die Menschen als Schutzschilde zu mißbrauchen.

jW-Bericht




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