Thursday, September 21, 2006

Bank für die dritte Welt
China finanziert mehr und mehr Projekte in Entwicklungsländern. Die Kredite gelten als fair und sind an keine politischen Bedingungen geknüpft
Rainer Rupp Jungewelt 21.09.2006

In tropischer Hitze bauen Hunderte Arbeiter unter der Aufsicht von chinesischen Ingenieuren und Technikern eine Brücke. Mitten im Dschungel von Laos wird diese einen Zufluß des Mekong überqueren und bald die zwei Teilstücke der fast 2000 Kilometer langen, ebenfalls neugebauten Straße zusammenfügen, die von der südchinesischen Stadt Kunming durch Laos bis zum kambodschanischen Hafen Sihanoukville am Golf von Thailand führt. Der Straßenbau wurde von Peking im Rahmen seines Entwicklungshilfeprogramms finanziert. Dabei gilt das Prinzip des beiderseitigen Nutzens. Mit einem ununterbrochenem Wirtschaftswachstum von durchschnittlich fast zehn Prozent im Jahr ist die Volksrepublik China innerhalb von 25 Jahren von einem bettelarmen Land zur dritt-stärksten Wirtschaftsmacht der Welt (westeuropäische Statistiken zufolge rangiert China auf Platz 5. – Red.) herangewachsen – ohne daß die strategischen Werkzeuge des modernen Imperialismus, insbesondere Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank, zu Chinas Entwicklung beigetragen hätten. Daher stellt das Reich der Mitte für viele, und sehr zum Leidwesen des westlichen Kapitals und seiner Ökonomen, die Antithese zu dem von IWF und Weltbank propagierten neoliberalen Entwicklungsmodell dar. Längst ist China zu einem globalen Wirtschaftsakteur geworden, und Pekings Händler und Fachleute sind überall auf der Welt präsent: in Zentralasien, im Mittleren Osten, in Afrika und sogar im bisherigen Hinterhof der einzigen Supermacht USA, in Lateinamerika. Sie sind immer auch auf der Suche nach Rohstoffen, von denen die rapide wachsende Wirtschaft des Landes zunehmend größere Menge verschlingt. Diesen existentiellen Nachschub abzusichern, aber auch wegen der Stabilisierung seiner Auslandsmärkte, ist Peking sehr an soliden Beziehungen mit seinen Partnerländern in der Dritten Welt interessiert. Inzwischen ist die Volksrepublik mit ihren aufgehäuften Devisenreserven in Höhe von fast 800 Milliarden Euro sogar in der Lage, in jene Domäne einzudringen, die bisher der Weltbank, den USA und Japan vorbehalten war: Kredite für Großprojekte zu vergeben. Den westlichen Bank- und Finanzkonzernen ist damit in diesem lukrativen Geschäft ein direkter Konkurrent entstanden, zumal China im Unterschied zum Westen keine politisch-ökonomischen Bedingungen an die Kreditvergabe knüpft. Für ärmere Länder wie Kambodscha, Laos oder Myanmar sind die rein finanziellen Usancen der chinesischen Kredite günstiger und unkomplizierter als bei westlichen Banken. Zudem machen die Geldgeber aus Peking keine derartigen Mätzchen, wie sie Weltbank oder IWF mit ihren Darlehen verbinden – etwa daß der Kreditnehmer noch für einen ganzen Rattenschwanz superteurer internationaler Konsultanten bezahlen muß, die für die Dauer der Vorhaben von Nobelhotels aus das jeweilige Projekt »betreuen«. China selbst profitiert von der verbesserten Infrastruktur in den Entwicklungsländern. Der Handel boomt, der Zugang zu den Rohstoffreserven wird verbessert, insbesondere in Asien. Liqun Jin, Vizepräsident der Asiatischen Entwicklungsbank und ehemaliger stellvertretender chinesischer Finanzminister, erklärte kürzlich in Peking, das Land habe sehr sorgfältig überlegt, wie es seinen wachsenden Reichtum einsetzt. »China will den Entwicklungsländern der Region helfen, um deren Infrastruktur auszubauen, und wir machen auch kein Hehl daraus, daß wir eine friedliche Nachbarschaft wollen, um unsere eigene Wirtschaft weiter zu entwickeln«, so der Banker. Die Resultate dieser Politik seien »außerordentlich«, assistierte ihm Tom Crouch, Direktor in der Asiatischen Entwicklungsbank. Sie habe »das Potential, die gesamte Vergabestruktur der Entwicklungshilfe zu verändern«. Im Frühjahr konnte Hun Sen, Premierminister Kambodschas, stolz auf einen 600-Millionen-Dollar-Kredit aus China verweisen. Damit sollen der Bau zweier Brücken in der Nähe der Hauptstadt, eines Wasserkraftwerkes und eine Glasfaser-Telekommunikationverbindung zwischen Kambodscha, Thailand und Vietnam finanziert werden. In diesem Zusammenhang unterstrich der Premier, daß alle bisherigen Kreditgeber Kambodschas zusammen nur eine Million US-Dollar mehr an Darlehen gewährt hätten als China. Und an jene Kredite seien noch zahlreiche Bedingungen geknüpft gewesen. So hat z.B. die Weltbank kürzlich Kambodscha vier Hilfsprogramme im Volumen von 70 Million US-Dollar gestrichen, weil das Land angeblich Kreditbedingungen nicht erfüllt habe. Auch in anderen Teilen der Welt ist China mit seinen Hilfsprogrammen aktiv. So hat Peking in den zurückliegenden Jahren eine Reihe von Großprojekten in afrikanischen Ländern finanziert und bei deren Bau selbst geholfen, wie z.B. in Nigeria, Sudan und Angola. Dort kauft das Reich der Mitte vor allem Öl und Gas.

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