Saturday, October 14, 2006

Militärchef hißt nach Blair-Kritik weiße Flagge

Britischer General fordert zunächst baldigen Truppenabzug aus dem Irak und ergibt sich dann seiner Regierung
Von Rüdiger Göbel

In einer bisher nicht gekannten Schärfe hat ein britischer Militärbefehlshaber die Außenpolitik seiner Regierung öffentlich kritisiert– um kurz darauf wieder klein beizugeben. General Sir Richard Dannatt, seit August neuer Armeechef Ihrer Majestät, bezeichnete die Irak-Politik von Premierminister Anthony Blair laut Daily Mail (Freitagausgabe) als »naiv« und forderte einen baldigen Abzug der britischen Besatzungstruppen. In einem Interview mit der Boulevardzeitung sagte Dannatt, die britische Militärpräsenz verschlimmere nur die Lage im Irak. »Was immer wir auch an Zustimmung am Anfang hatten, ist nun zum größten Teil in Ablehnung umgeschlagen.« Die britischen Truppen seien nicht in den Irak eingeladen worden, sondern hätten 2003 praktisch die Haustür eingetreten, wurde der realitätsorientierte General zitiert. Die rebellischen Äußerungen des britischen Militärs sorgten weltweit für Schlagzeilen, richteten sie sich doch unmißverständlich gegen Blair. Der britische Regierungschef hatte zuletzt auf dem Labour-Parteitag im September einen Rückzug aus dem Irak abgelehnt und vor einer »feigen Kapitulation« gewarnt. Im Laufe des Freitags schließlich war General Dannatt um Relativierung bemüht. Seine Bemerkungen seien aufgebauscht und teilweise aus dem Zusammenhang gerissen worden, sagte er im Rundfunksender BBC. Es gebe keine grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten mit der Regierung. Schließlich verbreitete der Spitzenmilitär eine persönliche Erklärung: »Ich bin ein Soldat. Man gibt nicht auf, man hißt nicht die weiße Flagge. Wir werden es bis zum Ende durchziehen.« Daß seitens des Verteidigungsministeriums Druck auf ihn ausgeübt worden sei, bestritt General Dannatt energisch. Indes, Kritik am Irak-Einsatz kam auch aus Washington. Gerald Burke, als sogenannter US-Sicherheitsberater für das Innenministerium in Bagdad tätig, monierte die schlechte Ausbildung der irakischen Polizisten. Ein großer Teil des heutigen Ausmaßes der Gewalt im Irak liege darin begründet, daß unmittelbar nach der US-Invasion im März 2003 zu wenig für die Durchsetzung von Recht und Ordnung getan worden sei, sagte Burke vor einem Ausschuß demokratischer Senatoren. Wegen der zahlreichen Anschläge rechne das irakische Innenministerium derzeit den Verlust von 25 Polizisten – tot oder schwer verletzt – pro Tag in seine Planungen ein.

Jungewelt /14.10.2006

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