Der Westen bombt mit
Sri Lanka: Armeeoffensive gegen Tiger
Von Gerd Schumann
Und wieder verbreitet die srilankische Armee (SLA) Erfolgsmeldungen: 22 tamilische Guerilleros seien getötet worden, verlautete am Freitag. Noch tags zuvor hatte die Regierung in Colombo erklären lassen, daß sie bereit sei zur Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mit den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) – allerdings erst am 28. und 29. Oktober. Ob dieser Termin stattfinden wird, steht in den Sternen.
Derzeit wird von der Zentralmacht gnadenlos die militärische Karte zur gewaltsamen Lösung des Tamilenproblems gespielt. Am Freitag morgen schlugen die SLA mit schwerem Artilleriefeuer, die Luftwaffe mit Bombardierungen und die Marine mit Raketenbeschuß von See aus im von der LTTE kontrollierten Gebiet südlich der Region Vaharai zu. Erneut versuchten Tausende tamilische Zivilisten zu entkommen, Menschen, die vorher aus anderen attackierten Gebieten geflohen waren.
Die Tiger zeigen sich trotzdem verhandlungsbereit. Bereits am vergangenen Dienstag hatten sie ihren Willen zu vorbedingungslosen Gesprächen mit der Regierung bekundet, allerdings zugleich darauf hingewiesen, daß der Waffenstillstand von 2002 mit jedem neuen SLA-Angriff stärker gefährdet werde. Insgesamt befindet sich die LTTE in einer komplizierten Situation – doch das nicht unbedingt, weil sie nicht dazu in der Lage wären, sich zu verteidigen. Schließlich basierte die Waffenruhe auch auf einer militärischen Stärke der Guerilla, die die Regierung an den Verhandlungstisch zwang. Vielmehr sieht sich die LTTE nicht nur verheerenden Tsunami-Schäden gegenüber, sondern vor allem einer neuen politischen Kräftekonstellation: Einer anderen Regierung, die stärkere singhalesisch-nationalistische Töne anschlägt, und einer Supermacht, die im Zuge ihres »Kriegs gegen den Terror« die Tiger zu Terroristen erklärte.
Im Mai 2006 schloß sich die EU der Bush-Administration an, was den Eindruck der LTTE, bei Verhandlungen unter internationaler Vermittlung politisch nicht gleichbehandelt zu werden, nähren mußte – ebenso wie andererseits den Eindruck der Regierung, vom Westen bevorteilt zu werden. Daß der norwegische Gesprächsmoderator Jon Hanssen-Bauer angesichts dieser explosiven Lage mit Ende Oktober einem derart späten Verhandlungstermin zustimmte, paßt ins Bild. Vielleicht ist es dann für den Frieden nicht nur zu spät, vielleicht soll es zu spät sein.
Jungewelt 07.10.2006
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